Datenmanagement und Data Literacy im Informatikunterricht
Im Rahmen des Projekts wird insbesondere das Fachgebiet Datenmanagement aus informatikdidaktischer Perspektive umfassend beleuchtet. Dazu wurden verschiedene Perspektiven, die das Modell der Didaktischen Rekonstruktion für den Informatikunterricht vorschlägt, untersucht. Auf diese Weise können die Anforderungen der Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, aber auch der Gesellschaft und natürlich der Informatik gleichermaßen berücksichtigt werden.
Schlüsselkonzepte des Datenmanagements
Ein Schwerpunkte der Arbeit lag auf der fachlichen Fundierung. Dazu wurde das Fachgebiet Datenmanagement hinsichtlich seiner Schlüsselkonzepte untersucht und das von Denning erarbeitete Modell der Great Principles of Computing für dieses Fachgebiet adaptiert. Als Ergebnis entstand ein Modell, das sowohl verschiedene Kerntechnologien des Datenmanagements als auch Praktiken, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind, und Entwurfsprinzipien und Mechanismen für bzw. von Datenmanagementsystemen berücksichtigen.
Die Kerntechnologien des Datenmanagements sind eine aktuelle Auswahl relevanter Forschungsgegenstände aus diesem Gebiet, die aber nicht nur in der Forschung sondern auch der Datenmanagementpraxis eine hohe Bedeutung haben und somit den zentralen Berührungspunkt zu diesem Fachgebiet dar.
Die Praktiken beschreiben zentrale Tätigkeiten im Bereich des Datenmanagements und geben gleichzeitig einen Einblick in den Datenlebenszyklus (vgl. unten). Sie geben einen Einblick in den Umgang mit Daten und betonen damit einen vollumfänglichen Blick auf die Prozesse, die in diesem Fachgebiet zentral sind, eröffnen aber auch wichtige Schnittpunkte zu anderen Fachgebieten und beispielsweise – insbesondere in den im Lebenszyklus später angesiedelten Praktiken – zu gesellschaftlichen Fragestellungen.
Die Entwurfsprinzipien des Datenmanagements beschreiben Entscheidungen, die für die Entwicklung, aber auch die Nutzung und Auswahl von Datenmanagementsystemen zentral sind: Sie stellen Eigenschaften dar, die diese Systeme zentral beeinflussen, einen Einblick in deren zentrale Eigenschaften und anhand derer verschiedene Datenmanagementsysteme unterschieden werden können.
Die Mechanismen stellen die Funktionsprinzipien der Systeme dar, die entsprechend am stärksten auf technischer Ebene angesiedelt sind. Sie beschreiben, wie verschiedene Teile eines Datenmanagementsystems zusammenwirken, um ein bestimmtes Ziel zu erfüllen.
Durch die Schlüsselkonzepte des Datenmanagements können nicht nur zentrale Aspekte des Fachgebiets knapp und verständlich dargestellt werden. Die darin dargestellten Praktiken und Prinzipien tragen jedoch auch zu einem vertieften Verständnis verschiedener Themen der Informatik bei:
- Metadaten sind zentral für den Umgang mit Daten in verschiedensten Facetten, beispielsweise ermöglichen diese eine Wiederauffindbarkeit der Daten, strukturieren diese und explizieren Beziehungen zu anderen Daten oder geben weitere Informationen über Daten preis (beispielsweise den Aufnahmeort eines Fotos). Metadaten sind damit in allen Praktiken des Datenmanagements relevant und stehen in Verbindung zu verschiedensten Prinzipien: Da Metadaten nie ihres Selbstzwecks wegen eingeführt werden, sondern immer mit einem bestimmten Ziel, trägt beispielsweise ein Wissen über den Mechanismus Strukturierung klar dazu bei, zu verstehen welche Aufgabe strukturierende Metadaten übernehmen und wie sie ausgeprägt sein müssen, während beispielsweise erst ein Verständnis über Repräsentation die Notwendigkeit bzw. den Sinn von administrativen Metadaten wie Dateityp expliziert.
- Datenbanken sind eine zentrale Technologie zur Datenspeicherung, die in vielen verschiedenen Ausprägungen existiert. Um zu verstehen, was Datenbanken beispielsweise gegenüber einem normalen Dateisystem auszeichnet, sind beispielsweise Kenntnisse über Integrität, Konsistenz und Isolierung, aber auch über Nebenläufigkeit unabdingbar. Werden diese vier Aspekte im Kontext der Datenbanken nicht thematisiert, wird nur ein vages Bild der Datenbanken gezeichnet, das möglicherweise nicht ausreicht, um Sinn und Zweck solcher Systeme zu erkennen und diese von anderen Datenspeichern zu unterscheiden.
- Verteilte Datenspeicher, von denen insbesondere Cloud-Datenspeicher heute eine allumfassende Bedeutung erlangt haben, stellen eine weitere zentrale Technologie des Datenmanagements dar. Im Umgang mit solchen Datenspeichern treten vielfältige Phänomene auf, beispielsweise bedingt durch die Synchronisation der Daten zwischen Datenquelle und Datenspeicher, die auch dem Nutzer bzw. der Nutzerin nicht verborgen bleiben. Um diese Phänomene, aber auch den Unterschied von anderen Datenspeichern und den Nutzen dieser Technologien verstehen und diese sinnvoll einsetzen zu können, ist es beispielsweise zentral zu verstehen, wie Synchronisation und Replikation funktionieren, welche Probleme beim Transport von Daten auftreten können, oder was Partitionstoleranz in einem verteilten System auszeichnet und welche Konsequenzen es nach sich zieht, wenn diese nicht sichergestellt werden kann.
Diese drei Beispiele zeigen, dass die Prinzipien des Datenmanagements insbesondere dabei helfen können, informatische Begriffe (wie Metadaten) zu verstehen und zu kontextualisieren, ein technisch korrektes Verständnis von informatischen Technologien (beispielsweise Datenbanken) zu entwickeln und Phänomene, die beim Umgang mit informatischen Technologien auftreten (wie bei verteilten bzw. Cloud-Datenspeichern), zu verstehen.
Aber auch die Praktiken des Datenmanagements können einen wichtigen Einblick in das Feld ermöglichen: Indem diese Praktiken als Lebenszyklusmodell (vgl. unten) aufgefasst werden, geben sie einen Überblick über den gesamten Prozess von der Datengewinnung über deren Speicherung, Verarbeitung, Analyse und Austausch bis hin zur Archivierung und Löschung. Dieser Prozess gibt nicht nur Schülerinnen und Schülern aber auch Lehrerinnen und Lehrern eine wichtige Orientierung, sondern kann auch dazu genutzt werden, interessante Fragestellungen zu ermitteln: Eine Orientierung von Datenmanagementunterricht an diesem Lebenszyklusmodell legt beispielsweise die Fragen nahe, woher die Daten kommen, welche Daten überhaupt gewonnen werden sollen/können, wie diese bereinigt und strukturiert werden können, wie deren Qualität sichergestellt wird, wie diese verarbeitet und analysiert werden können, wie sie (durch Visualisierung) verständlich für den Menschen gemacht werden, usw.
Entwicklung eines Data-Literacy-Kompetenzmodells
Zusätzlich wurde im Rahmen dieses Projekts jedoch auch eine Grundlage für die Forschung in einem weiteren wichtigen Bereich des Umgangs mit Daten geschaffen: Während sich in der Forschung immer mehr die Entstehung eines neuen datenorientierten Forschungsparadigmas zeigt und auch in der Hochschullehre Kompetenzen in der Datenanalyse und zum Teil dem Maschinenlernen immer häufiger auch außerhalb der Informatik als relevant erachtet werden, wurde diese Data Literacy noch nicht aus Perspektive des allgemeinbildenden Schulunterrichts beleuchtet, obwohl Grundfertigkeiten und grundlegende Kompetenzen im Umgang mit Daten heute in allen Lebensbereichen immer zentraler werden und zu einer selbstbestimmten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beitragen können. Aus diesem Grund wurde, als Grundlage für die weitere Forschung in diesem Bereich, basierend auf empirisch geprägten Arbeiten ein Kompetenzmodell der Data Literacy mit einem Fokus auf die Sekundarstufe I/II entwickelt, dass jedoch potentiell auch für andere Bildungsniveaus anpassbar ist.